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Bürgermeister und Parteiführer

Luegers wichtigstes politisches Ziel war die Eroberung des Bürgermeisteramtes von Wien. Im Herbst 1895 erreichte die Christlichsoziale Partei im Gemeinderat erstmals eine Mehrheit, die in den folgenden Monaten sogar auf eine Zweidrittel-Mehrheit anwuchs. Am 29. Oktober 1895 wählte der Gemeinderat Lueger zum ersten Mal zum Bürgermeister. Damit begann ein Tauziehen, das mit gemeinderätlichen Bestellungen und kaiserlichen Ablehnungen die folgenden Monate überschattete. Seinen Gegnern war der Politiker wegen seiner verbalen Radikalität als Störenfried, dem man die Amtsgeschäfte nicht anvertrauen dürfe, suspekt. Statthalter Erich Kielmansegg ließ den Gemeinderat zwei Mal auflösen. Nach mehreren Wahl-Anläufen und einer interimistischen Lösung in Person seines Parteifreundes Josef Strobach erhielt Lueger nach seiner fünften Wahl zum Bürgermeister am 16. April 1897 schließlich die kaiserliche Bestätigung und wurde am 20. April vereidigt. Unverzüglich begannen die Christlichsozialen mit der Umsetzung ihres ehrgeizigen kommunalen Reformprogramms (siehe folgendes Kapitel).

Innenpolitisch wurde der Kampf gegen den Liberalismus um die Jahrhundertwende von Auseinandersetzungen mit der aufstrebenden Sozialdemokratie und den radikalen deutschnationalen Strömungen um Georg von Schönerer abgelöst. Auch auf gesamtstaatlicher Ebene - die Christlichsozialen stellten mit Einführung des allgemeinen gleichen Männerwahlrechts 1907 und nach der Vereinigung mit den Katholisch-Konservativen die stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus des Reichsrats - erhielt Luegers Partei immer mehr Einfluss. Neben dem Eintreten für eine Wahlrechtsreform (diese Reform wurde in Wien aus wahltaktischen Gründen nicht nachgebildet) trat Lueger für einen Bundesstaat mit nationalen Gliedstaaten ein und führte als Anhänger des Gesamtstaates einen unablässigen Kampf gegen die ungarische Reichshälfte.

So nachhaltig Luegers Wirken für die Wiener Kommunalpolitik war, so wenig kümmerte er sich um die Organisation seiner Partei. Die erfolgreiche Personalisierung der Politik ließen Strukturen entbehrlich erscheinen. Die einigende Klammer des Konglomerats an verschiedenen Strömungen, Vereinen und Vorfeldorganisationen war einzig und allein der charismatische Bürgermeister, was sich besonders nach dessen Tod als Nachteil für die Christlichsoziale Partei erwies.

Bedingt durch seinen rastlosen Arbeitsstil betrieb Lueger nachhaltigen Raubbau an seiner Gesundheit, die sich durch schweren Diabetes stetig verschlechterte und etwa ab 1906 zunehmend seine Amtsführung erschwerten. Nach schwerem Leiden starb er am 10. März 1910, fast völlig erblindet, und wurde wenige Tage später unter großer Beteiligung der Bevölkerung und des öffentlichen Lebens am Wiener Zentralfriedhof begraben.